Das grüne Paradies hinter der Sonnenallee
Während Schrebergartenkolonien meist idyllische Namen wie „Freie Stunde“ oder „Vogelsang“ tragen, heißt sie nüchtern „National Registrierkassen NCR e.V.“ Wie in jeder Gartenkolonie kommen hier Jung und Alt, Akademikerin und Arbeiter, Familie und Rentnerehepaar zusammen. „Wir haben hier fast alle Nationalitäten: Serben, Armenier, Aserbaidschaner, Marokkaner“, erzählt der Vorsitzende Eyip Cömert. Für ihn bedeutet der Garten Abschalten nach einem stressigen Tag: „Bei der Gartenarbeit bekomme ich den Kopf frei.“ Am meisten Freude macht es ihm, zu erleben, wie aus den Samen oder kleinen Pflänzchen am Ende des Sommers etwas wird. Kürbisse und Bohnen baut er an, außerdem steht im Garten ein alter Birnbaum. „Die besten Birnen, die es gibt!“
Gelebte Integration
Es ist eine kleine Gemeinschaft, die auch mal Feste miteinander feiert und sich längst für die Nachbarschaft geöffnet hat. So wird ein Hochbeet von einer benachbarten Förderschule gehegt und gepflegt. Dafür wurde eine behindertengerechte Toilette gebaut. Vor dem Gemeinschaftshaus stehen außerdem fünf „Probe-Hochbeete“. Die ersten fünf Bewerber:innen von der Warteliste können hier das Gärtnern mal ausprobieren – mit einem überraschenden Ergebnis. Etwa die Hälfte springt ab. „Es ist eben doch mehr Arbeit als gedacht“, kommentiert der Vorsitzende leicht amüsiert. Apropos Warteliste: 50 Personen warten im Moment auf eine der 32 Parzellen.
KZ-Außenlager für Zwangsarbeiterinnen
Doch was hat es mit dem Namen auf sich? NCR steht für National Cash Register. Das amerikanische Unternehmen, das sich 1920 in Neukölln angesiedelt hatte, fusionierte 1934 mit der Krupp-Registrierkassen-Gesellschaft. In einer Fabrik in der Thiemannstraße produzierte man zunächst Registrierkassen und mit Beginn des Zweiten Weltkriegs Rüstungsgüter. Dafür wurden rund 500 jüdische Zwangsarbeiterinnen eingesetzt, überwiegend aus Polen. Untergebracht waren sie in drei mit Stacheldraht eingezäunten Baracken auf dem Gelände der heutigen Kleingartenanlage, nur 50 Meter entfernt von der Fabrik. Nebenan, wo heute der Sportplatz ist, befanden sich die Unterkünfte für die SS-Wachen. Unter menschenverachtenden Bedingungen mussten die Frauen Schwerstarbeit leisten.
Gedenktafel gegen das Vergessen
Ab August 1944 wurde das Areal zum Neuköllner Außenlager des KZ Sachsenhausen. In den letzten Kriegswochen wurden die Baracken durch Bomben zerstört und die Frauen ins KZ Ravensbrück gebracht. Von dort konnten die meisten noch kurz vor Kriegsende vom Roten Kreuz gerettet werden. Die Kleingärten wurden ab 1947 angelegt. 1957 wurden die letzten Baracken abgerissen.
Eine Info-Tafel am Eingang sowie eine Lichtinstallation auf dem Gehweg erinnern an das einstige Zwangsarbeiterinnen-Lager.