Bericht: Die Auftaktveranstaltung des Quartiersmanagements Harzer Straße
Die Erkundung des Harzer Kiezes
Am Freitag, den 17.09.2021 lud das QM Harzer Straße zu seiner Auftaktveranstaltung in Form eines Kiezrundgangs ein. Knapp 40 Menschen, Bewohnende und Agierende aus dem Kiez sowie Mitarbeitende des Bezirks und des Senats erkundeten zwei Stunden lang gemeinsam das QM-Gebiet.
Im Garten des ökologischen Spielplatzes Wilde Rübe, sicher voneinander entfernt, lauschten die Teilnehmenden den einleitenden Worten der Staatssekretärin für Wohnen, Wenke Christoph, und des Neuköllner Stadtrats für Stadtentwicklung, Soziales und Bürgerdienste, Jochen Biedermann. Beide freuten sich über ein physisches Treffen, in Zeiten wie diesen eine mögliche Ausnahme dank des Rundgang-Formats - Corona macht erfinderisch.
Christoph skizzierte die Bedeutung Neuköllns aus ihrer Sicht. Das Berliner Quartiersmangement, verankert im Förderprogramm “Sozialer Zusammenhalt”, zählt 32 Gebiete. Mit neun davon ist Neukölln berlinweit Spitzenreiter. Den Neuköllner Schifffahrtsanal sah die Staatssekretärin als “Perle der Nachbarschaft” und ließ die Vision aufblicken, mit gezielten Maßnahmen könne der Kanal eines Tages das Gebiet einen, anstatt zu teilen.
Biedermann erinnerte daran, wie sehr er und der Bezirk insgesamt für die Einrichtung eines Quartiersmanagements im Harzer Kiez gekämpft habe. Quartiersmanager Christian Atmaca erklärte den Ablauf des Nachmittags und griff das Bild der Perle auf: Der Kiez habe viele Perlen zu bieten und einige dieser Perlen sind jene Einrichtungen, die auf dem Kiezrundgang angelaufen und jeweils von einer vertretenden Person vorgestellt würden. Am Ende der Perlenkette gäbe es einen Corona-gerechten Empfang mit Getränken und Essen.
Zur ersten Kiezperle des Rundgangs hatten es die Anwesenden nicht weit, sie waren schon dort: Ferdinand Krüger leitet den pädagogisch betreuten ökologischen Spielplatz Wilde Rübe, 1976 geründet. Er stellte die auf dem Gelände lebenden Schweine Andreas und Falko vor und erzählte von den Kindern, die seine Einrichtung besuchen.
Bei der zweiten Station, der Wildenbruchbrücke, erläuterte Atmaca die Neugestaltung des Wildenbruchplatzes und das Umfunktionieren der historischen Toiletten in einen Kunstraum namens “Kunstbrücke”. An der dritten Station, der Treptower Brücke, erklärte Quartiersmanagerin Mine Henki den Sinn einer dreieckigen, mobilen Littfaßsäule: Das Kiezeck, an dem Anwohnende Bücher, Kleidung und Nachrichten tauschen können. Ein paar wichtige Angaben zum QM-Gebiet gab sie auch, ging u.a. auf die soziokulturellen und städtebaulichen Unterschiede dies- und jenseits des Kanals ein, die das Gebiet auf so vielen Ebenen divers und besonders machen.

Auf dem Weg zur vierten Station, dem Familienforum Harzer Kiez, ging die Gruppe am QM-Büro in der Treptowerstraße 23 vorbei und bog in die Werrastraße ein. Dort hörten die Teilnehmende Nathalie Faltenbacher zu, der Leiterin vom AspE-FamilienForum Harzer Kiez, das sich besonders um die Bedürfnisse von Roma-Familien kümmert. Da die Werrastraße eine Sackgasse ist, machte die Gruppe kehrt, lief die Treptower Straße über den Kanal hinauf und machte an einem großen Spielplatz halt, der fünften Station.
Mit großen Spielbrücken und Schaukeln im Rücken, mit Blick auf das mehrstöckige Gebäude, Heimat der Kita Treptower Straße und des Präventionszentrums Frühe Hilfen, erzählten Petra Tiedtke und Yvonne Adler von der Entwicklung der Einrichtungen, beide in Trägerschaft der tandem BTL. Die Leiterin der Kita und Kiez-Urgestein, Tiedtke, kennt und beobachtet die Veränderungen der Nachbarschaft. Sie engagiert sich seit Jahrzehnten für Kinder und deren Familien im Kiez. Die Leiterin des Präventionszentrums, Adler, skizzierte, wie es ihr mit viel Mühe und langem Atem gelungen ist, für ihre Einrichtung eine Regelfinanzierung zu erlangen. Der Kern ihrer Arbeit ist das Begleiten von Paaren auf dem Übergang zur Familie und während der ersten Jahre danach. Thematisch sehr passend war die sechste Station, eine weitere Kita, direkt gegenüber gelegen, auf der anderen Straßenseite. Die Kita “Kleine Herzen” ist im Erdgeschoss des Arnold-Fortuin-Hauses untergebracht und hat einen eigenen Kräuter- und Gemüsegarten, sagte Leiterin Natalia Weimann.
Rund hundert Meter dahinter steht die Hans-Fallada-Grundschule, die siebte Station. Die engagierte Direktorin Cordula Schröder vermittelte das pädagogische Konzept, entdeckendes Lernen. Die Neugier der Kinder werde angestachelt, um aus ihnen kleine wissbegierige Forscher zu machen. Auf dem Weg zur letzten Station fragte ich die Staatssekretärin Christoph, wie sie den Rundgang fände? Spannend, meinte sie, sie erhalte sonst meist zusammenfassende Berichte, jetzt könne sie die Einrichtungen und deren Mitarbeitende selbst in Augenschein nehmen.
Zur achten Station führte der Weg an einem Gewerbegebiet und einer Kleingartenkolonie vorbei. Vor dem denkmalgeschützten, vierstöckigen Bauhaus-Gebäude der KUBUS gGmbH brachte uns Gernot Zessin den Unterschied zwischen Obdach- und Wohnungslosigkeit bei, sie sind eine Erstaufnahmestelle für erstere. Daneben betreibt KUBUS eine Kita im Erdgeschoss. Im Hinterhof hatten sie aus einer ausrangierten Vogelvoliere einen beeindruckenden Veranstaltungsraum gebaut, liebevoll und detailreich verziert. Dort endete der Rundgang mit Getränken und Lunchboxes. Die Gruppe zeigte sich sehr angetan vom Format, viele hatten sich nach vielen Monaten Video-Konferenzen endlich wieder direkt gesehen, oder sich überhaupt zum ersten Mal zu Gesicht bekommen. Die angeregten Gespräche zeigten: Vernetzung geht doch viel besser von Angesicht zu Angesicht als über einen Bildschirm.

Die Traube Kinder, die die Gruppe von der Wilden Rübe den ganzen Rundgang lang begleitet hatten, pressten ihre Gesichter an die Fenster des verspielten Veranstaltungsortes. Mit großen Augen guckten sie auf den Getränketisch. Schließlich brachte jemand den Kindern einige Flaschen. Es stellte sich heraus: Holunderlimonade ist bei Kindern nicht beliebt - sich unter Erwachsene zu mischen, dabei sein und zuzuhören hingegen schon.
